Tuesday, August 08, 2006

Show > Football aka. RB-Ba$hing Part X

"Las Vegas will in die Champions League

Red Bull Salzburg bemüht sich mit dem Showmaster-Duo Trapattoni/Matthäus um Glamour und Erfolg

Von Daniel Pontzen, Salzburg

Das Feuerwerk nach dem Abpfiff war verraucht, als Giovanni Trapattoni den Presseraum betrat und deutlich machte, warum Red Bull Salzburg keinen geeigneteren Trainer als ihn hätte verpflichten können. Sein Team hatte sich durch ein glückliches 2:0 über den FC Zürich in die nächste Runde der Champions-League- Qualifikation gemogelt und die wahre Attraktion des Abends folgte erst jetzt. „Bringe nix pa-ta-pim, pa-ta-pim, pa-ta- pim“, kommentierte der italienische Startrainer mit ernster Miene das ansehnliche aber ineffiziente Kombinationsspiel des Gegners, und fügte in akzentfreiem Trapattonisch an: „Brauch nix ticke-tacke-tucke.“ Dann nahm er ein Blatt zur Hand und las zwei zuvor notierte Sätze ab: „Wir müsse de Rhythmus im Spiel hochhalte.“ Pause. „Wir dürfe nicht langsam spiele.“ Dann schaute er zu seinem Dolmetscher. Der nickte zufrieden.

An dem Auftritt Trapattonis, dessen Beruf inzwischen wohl eine Art Entertrainer ist, hätte sicher auch Dietrich Mateschitz seine helle Freude gehabt. Der milliardenschwere Gründer der Getränkefirma Red Bull, der sich vergangenes Jahr den Fußballklub Austria Salzburg zulegte, ihn umbenannte und ihm neue Farben verpasste, sieht Fußball wie die schon zuvor gesponserten Extremsportarten vor allem als Marketing-Tool: je mehr Spektakel, desto besser. Entsprechend wird die Show im Salzburger EM-Stadion in eine neue Dimension gehoben, wie sich beim ersten Saisonheimspiel am Mittwochabend zeigte. Sie ist nicht Teil des Fußballspiels, das Fußballspiel ist Teil der Show. Heraus kommt ein glitzerndes Event – und die synthetischste Variante von Fußball, die es in Europa bisher gegeben hat.

Vor dem Anpfiff hätte man leicht vergessen können, warum die im Durchschnitt auffällig jungen Zuschauer gekommen waren: Vor den Eingangstoren hatten BMX-Fahrer am Boden liegende Menschen übersprungen, innen starrte das Publikum gebannt auf einen Turner, der an einem Seil hängend vom Stadiondach hinunterschwebte, ehe ein Fallschirmspringer im Mittelkreis landete. Nicht nur, weil es an den Stadionkiosken Chips und Popcorn zu kaufen gab, erinnerte vieles an Sportveranstaltungen in den USA. Milder Techno wummerte vor dem Anpfiff aus den Lautsprechern, und die bunten Lichtkegel, die im Takt über die Tribüne hüpften, wurden auch während des Spiels nicht abgestellt. Las Vegas in Österreich.

Trapattoni und seinem Assistenten Lothar Matthäus, die so etwas wie das Showmaster-Duo bilden, kommen in dem Konzept große Bedeutung zu. Nicht nur, weil ihre Namen Glanz und ihre Statements mitunter Komik versprechen. Mateschitz erhofft sich von ihnen, den Klub „in fünf Jahren unter den Top 10 bis 15 in Europa“ zu etablieren. Aufmerksamkeit lässt sich mittelfristig nur mit Erfolg herstellen.

Ihre Rollen haben die Trainer inzwischen gefunden. Mittwochabend gestikulierte Trapattoni meist wild durch die Coaching-Zone, während Matthäus im Hintergrund blieb. Nach Halbzeit- und Schlusspfiff hielt der Assistent stets einigen Sicherheitsabstand zu Trapattoni – ganz so, also wolle er weder dessen Chefrolle in Frage stellen, noch wie ein nervender Schülerpraktikant an dessen Rockzipfel hängen. Auch auf einen Kommentar verzichtete Matthäus nach dem Spiel – selbstverordnete Schweigepflicht.

Um das ambitionierte Ziel ihres Geldgebers zu realisieren, nehmen die beiden keine Rücksicht auf nationale Belange. Gegen Zürich stand kein Österreicher auch nur eine Minute auf dem Platz. Eine funktionierende Einheit bildet das um Routiniers wie Thomas Linke, Niko Kovac und Alexander Zickler aufgebaute Team aber noch nicht. Der FC Valencia, gegen den es nun um den Einzug in die Champions League geht, dürfte derzeit mindestens eine Nummer zu groß sein.

Schadenfreude wäre den Salzburgern bei einem Scheitern gewiss. Aus Protest gegen den neuen Kurs haben einige Fans dem Klub den Rücken gekehrt und ein neues Austria Salzburg gegründet, das in der zweituntersten Liga kickt. Die meisten Anhänger aber haben sich mit dem neuen Event-Fußball arrangiert: „Die Vergangenheit war ein Vorgeschmack! Jetzt geht's erst richtig los“, war auf einem überdimensionalen Plakat zu lesen. Auch die beiden Trainer haben die Fans gleich mal mit Sprechchören gefeiert.

Trapattoni, der jahrzehntelang europäische Spitzenklubs trainierte, scheint sich ebenfalls mit den speziellen Rahmenbedingungen seiner neuen Aufgabe angefreundet zu haben. Ob das nicht ein bisschen viel Show sei, wird er zum Abschluss der Pressekonferenz gefragt. „Isse wie in Amerika“, antwortet Trapattoni nach kurzem Zögern und hebt dabei die Schultern. Dann lehnt er den Kopf zur Seite, weitet die Augen und lächelt: „Fußball isse heute große Geschäft. Isse große Theater.“ " (tagesspiegel, 8.8.06)

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